Capriziöse Burgenland-Reise
Bitte, ja, vielleicht ist ein Capri nicht der ideale Wagen, um eine Zeitreise durchs Burgenland zu machen, sondern vielleicht sollte man mit ihm eher dorthin aufbrechen, wo die rote Sonne im Meer versinkt. Aber einen Burg konnten wir auf die Schnelle nicht auftreiben – gibt es die Automarke doch seit 1912 nicht mehr. Und die Verbindung zur Sonne des Capri passt dann eh auch wieder ganz gut zu Österreichs sonnigstem Bundesland. Vor allem wenn man bedenkt, dass, umgekehrt, alle vier Burgen, die dem Bundesland dem Namen gaben, nicht im Burgenland stehen, dann darf man schon ein wenig generös sein mit der Wahl des Fuhrwerks.
Von den Kelten zu den Esterházy
Mehr noch. Die Geschichte des Burgenlandes reicht natürlich weiter zurück als das Bundesland selbst. Weit mehr als 2400 Jahre ist es her, dass hier die Kelten siedelten. Dann kamen die Römer, die Ostgoten, die Hunnen, die Langobarden, die Awaren, die Franken, die Deutschen, die Magyaren und 1529 die Türken. Ein Jahr später wurden im heutigen Burgenland Kroaten angesiedelt, dann wurde das Land den Habsburgern verpachtet, bis 1622 Nikolaus Esterházy mit der Burg Forchtenstein belehnt wurde.
Bis an den Beginn des 14. Jahrhunderts reicht die Geschichte der Burg zurück. Heute gehört sie, wie ja so vieles im Burgenland, zum Besitz der Esterházy. Die Burg Forchtenstein beherbergt heute die Schatzkammer der Familie, die nun auch wieder zu besichtigen ist. Außerdem gibt es ein breites Veranstaltungsangebot, das sich vor allem an Familien richtet.
Burg Lockenhaus
Von der Burg Forchtenstein brauchen wir gar nicht weit bis zur nächsten Burg zu fahren, die von 1676 bis 1968 ebenfalls im Besitz der Esterházy war: Lockenhaus. Sie liegt keine 40 Minuten mit dem Auto von Forchtenstein entfernt und gehört heute der Prof.- Paul-Anton-Keller-Stiftung. Lockenhaus wurde aufwendig renoviert und will heute die “Ritterburg” im Burgenland sein. So weit ist das ja auch nicht hergeholt, gibt es doch die Legende, dass die Templer die Burg rund um 1200 erbaut haben. Und noch eine wilde Geschichte gibt es in Lockenhaus. Hier hat “Gräfin Dracula”, Blutgräfin Elisabeth Báthory gelebt und gewütet. 650 Morde soll sie begangen haben, erfährt man bei der Spezialführung.
Und wenn wir schon bei den dunklen Kapiteln des Burgenlandes sind, dann kommen wir auch um Rechnitz nicht drum herum. Kurz vor Kriegsende, in der Nacht auf den 25. März 1945, sind hier rund 200 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter beim Massaker von Rechnitz getötet worden. Der Kreuzstadl, an dem man den Tatort vermutet, ist heute ein Denkmal, das Massengrab hat man bis heute nicht gefunden.
Diese Geschichte wird auch Thema der Jubiläumsaustellung 100 Jahre Burgenland auf Burg Schlaining, der Friedensburg, sein. Und zu Ausstellungsbeginn erstrahlen Stadtkern und Burg in neuem Glanz. Seit mehr als einem Jahr wird nun um mehrere Millionen Euro renoviert und alles für die Ausstellung vorbereitet.
Friedensburg Schlaining
1271 wurde die Burg erstmals urkundlich erwähnt, war später im Besitz der Batthyány und wurde im Zuge des Kalten Krieges und dank Bruno Kreiskys zur Friedensburg.
Bei all den Burgen und Schlössern zwischen Eisenstadt und Neuhaus am Klausenbach, wo das Schloss Tabor steht, ist aber die Reise an sich schon sehr beeindruckend. Vor allem wenn man die S31, die Burgenland-Schnellstraße verlässt.
Die Geschriebenstein-Straße ist eine dieser Genusstrecken, die durch Wald und über Hügel führt, Kurve an Kurve, nicht hektisch, sondern genüsslich und abwechslungsreich. Man begegnet Wanderern, Radfahrern, und die sind mindestens so charmant wie die Landschaft und die Straße. Am Auto allein kann diese Freundlichkeit nicht liegen, auch wenn so ein alter Ford ein Eisbrecher ist. Scheinbar jede und jeder erinnert sich an jemanden, der auch so einen Wagen hatte, und kann Geschichten erzählen, von früher. Gut, es sind keine hundert, aber immerhin doch vierzig Jahre alte Schnurren.
Schönes Südburgenland
Je weiter wir in den Süden kommen, desto eher drängt sich der Wunsch auf, hierzubleiben. Hektik sucht man hier vergebens. Sie dürfte zwischen einem der unzähligen Hügel verlorengegangen sein. Beeindruckend sind auch die alten Strukturen, die erhalten blieben und gepflegt werden. Alte Bauernhäuser werden nicht einfach abgetragen und oder an einen Bauträger verscherbelt. Viele der alten Häuser wurden liebevoll renoviert und sorgsam modernisiert. Eine echte Zeitreise.
Nur hie und da wurde ein Technologiepark aus dem Boden gestampft. Aber so wild ist das nicht. Ziehen doch die Burgen wie Güssing und die Schlösser rund um Oberwart viel eher die Blicke an. Nur das Schloss Eberau, das macht den Eindruck, dass es gar nicht entdeckt werden will. Schon der Hauptplatz liegt abseits der ohnehin ruhigen Ortsdurchfahrt, und man muss genau schauen, um das Schloss am anderen Ende zu finden. Und dann sieht man doch nur den mit Gräsern zugewachsenen Wassergraben und einige Rehe. Man weiß auf einmal nicht mehr, wer wen ausstalliert.
Einmal im Jahr kommt man dann aber doch in das sichtgeschützte Schloss Eberau. Dann, wenn das Theater Grenzenlos wieder einen Schwank spielt. Die Vorstellungen heuer wurden übrigens leider schon abgesagt.
Aber 2022 kommen wir wieder, starten den alten Capri an und schauen, wie die rote Sonne hinter dem Schloss versinkt.
derStandard – 06/2021
Fotos: Wolf-Dieter Grabner