Angelika Lang bewegt

Es ist der Tag vor dem 25-Jahr-Jubi­lä­um von FM4, an dem wir Ange­li­ka Lang im neu­en FM4-Stu­dio auf dem Künigl­berg tref­fen. Sie ist nur sel­ten hier, der hal­be Sen­der rennt freu­dig zusam­men, als sie bei der Tür hereingeht.

Es hat sich viel ver­än­dert seit dem Tag, an dem sich Ange­li­ka Lang, im ach­ten Monat schwan­ger, an das Misch­pult setz­te, ihren Kau­gum­mi drauf­pick­te und zum im Hin­ter­grund ein­ge­spiel­ten Sound der Beas­tie Boys ins Mikro sprach: “So klingt es, wenn das FM4-Herz zu schla­gen beginnt.”

Im Studio

Genau die­se Wor­te sagt sie jetzt noch ein­mal. Viel­leicht, um sich zu beru­hi­gen. Sie wird nicht ger­ne foto­gra­fiert. Und genau das pas­siert gera­de. Im neu­en Stu­dio, das sie erst­mals betritt, weil sie nicht mehr bei FM4 mode­riert, auch wenn sie sich im Sen­der bewegt, als wäre er ihr Zuhause.

Auch ihr tat­säch­li­ches Zuhau­se hat sich ver­än­dert. Ange­li­ka Lang lebt nicht mehr in Wien, son­dern ist ins Wein­vier­tel zurück­ge­gan­gen. “Ich bin da drau­ßen auf­ge­wach­sen, als Land­kind, geprägt und erzo­gen von der Natur, die mich umge­ben hat”, erzählt sie. “Spä­ter wur­de ich zu einem lei­den­schaft­li­chen Stadt­men­schen, bis ich merk­te, ich brau­che wie­der das lang­sa­me­re Tem­po.” Heu­te mag sie es, wenn um 17, 18 Uhr die Stra­ßen im Ort leer sind, sie am Abend die Ster­ne sehen kann, weil es so gut wie kei­ne Licht­ver­schmut­zung gibt.

Ange­li­ka Lang war schon immer eine Frau, die sehr bewusst und womög­lich auch inten­siv gelebt hat. Sie war eine rich­ti­ge Kretzn, gibt sie zu, die Revo­luz­ze­rin steckt immer noch tief in ihr, obwohl sie kal­mie­rend ein­wirft: “Das Leben schleift einen schon sehr.”

Der Preis für die Umwelt

Viel­leicht tut es das umso mehr, wenn man auch die eige­nen Ent­schei­dun­gen immer wie­der hin­ter­fragt. “Sehr abge­le­gen leben zu wol­len hat den Preis, zum Arbeits­platz pen­deln zu müs­sen. Und die­sen Preis will ich für die Umwelt so nied­rig wie mög­lich hal­ten”, sagt sie. Dar­um hat sie, als sie das alte Haus sanier­te, “nicht nur eine Wär­me­däm­mung und eine Solar­an­la­ge gemacht, son­dern auch gleich einen Lade­an­schluss für ein E‑Auto.”

Damit sie die rund 80 Kilo­me­ter nach Wien nicht mit einem Ver­bren­ner fah­ren muss, hat sie sich vor drei Jah­ren ein E‑Auto gekauft – obwohl sie sich auch mit die­ser Art, wie mit jeder Form des Indi­vi­du­al­ver­kehrs, höchst kri­tisch aus­ein­an­der­setzt. Aber eine akzep­ta­ble Ver­bin­dung mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln gibt es bei ihr drau­ßen nicht.

Für die Distanz muss­te es ein E‑Auto mit genü­gend Reich­wei­te sein, ein kom­pak­ter Wagen um ein ver­nünf­ti­ges Geld. Nur eine Sitz­hei­zung hat Ange­li­ka Lang nach­ge­rüs­tet, denn jetzt im Win­ter, wenn die Reich­wei­te ob der nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren zurück­geht, ver­zich­tet sie im Auto auf die Hei­zung. “Ich sit­ze oft mit Man­tel und Hand­schu­hen im Auto”, sagt sie und schmun­zelt dabei.

Slow down for Samtpfötchen

Wir wer­den es spä­ter noch ein­mal machen, schmun­zeln, wenn wir den Auf­kle­ber auf ihrem Auto sehen. Eine Kat­ze mit Ver­band an Ohren und Pfo­te, dane­ben die Wor­te: “Plea­se! Slow down for us.”

Zusam­men mit den zwei eige­nen und den Streu­nern betreut Ange­li­ka Lang ein gutes Dut­zend Kat­zen. “Ich bin ein Kat­zen­mensch”, sagt sie, “Kennst du die Zuord­nung, dass Rol­ling-Stones-Fans Kat­zen­fans, Beat­les­fans aber Hun­de­fans sind? Stimmt meis­tens”, sagt sie lachend. “Kat­zen sind Frei­geis­ter, haben eine eige­ne Per­sön­lich­keit. Sie suchen sich ihre Men­schen aus.”

Schon wahr, Kat­zen sind sehr sen­si­ble Tie­re, die wer­den also ver­mut­lich eine Freu­de an ihrer Stim­me haben. “Die habe ich von mei­ner Mut­ter”, sagt Ange­li­ka Lang, die für Maga­zi­ne und Dokus in ORF 2, ORF 3 oder auch Ö1 spricht.

Wer Pro­ble­me hat, sich selbst auf Auf­nah­men oder über eine Anla­ge zu hören, kann beru­higt sein. Ange­li­ka Lang ging es da lan­ge Zeit nicht anders. “Irgend­wann hat es mich dann nicht mehr geschüt­telt, wenn ich mich selbst gehört habe. Irgend­wann gewöhnt man sich dar­an, und inzwi­schen kann ich mir sel­ber zuhö­ren und mer­ke, wenn ich etwas nicht so gut rüber­ge­bracht habe oder anders hät­te machen können.”

Die Stimme in den Dienst stellen

Der Begriff Spre­che­rin sei da ein wenig irre­füh­rend, meint sie. “Es geht ja um viel mehr als das Spre­chen, es geht ums Erzäh­len einer Geschich­te, dar­um, sich und sei­ne Stim­me in den Dienst der Geschich­te zu stel­len. Mit Stim­me Stim­mung zu machen.”

Sie stellt sich aber auch in den Dienst der Umwelt. Nicht nur mit ihrem E‑Auto. Sie kauft sehr sel­ten Klei­dung und trägt immer noch ger­ne ihre Sachen aus den 1980er-Jah­ren. “Die fin­den mei­ne Kin­der mitt­ler­wei­le wie­der cool.” Sie sagt, sie wer­de rich­tig­ge­hend aggres­siv, wenn ihr die Wer­bung erzählt: “Dar­auf kannst du die­sen Win­ter nicht ver­zich­ten!”, und ant­wor­tet dar­auf: “Und wie ich kann!” Sie bekommt kei­ne Post­wurf­sen­dun­gen, benutzt für Rei­sen in den Urlaub am liebs­ten die Bahn und den Nacht­zug, außer­dem fliegt sie so wenig wie möglich.

Ich flie­ge extrem wenig”, bestä­tigt sie, “dank mei­ner Flug­angst ist das aller­dings eine leich­te Übung. Ich hab vor nichts Angst im Leben, aber Flug­zeu­ge sind der Hor­ror für mich.”

Über­haupt fällt auf: So kon­se­quent sie ihr eige­nes Leben zu füh­ren ver­sucht, so wenig mis­sio­na­risch ist sie dabei. Der Schuss gin­ge auch oft nach hin­ten los, ist sie über­zeugt. “Das lernst du spä­tes­tens, wenn du Kin­der erziehst: Alles, was ich gepre­digt habe, ist bei einem Ohr rein, beim ande­ren wie­der raus. Alles, was ich vor­ge­lebt habe, leben sie nach”, sagt sie, und erklärt: “Ich war und bin ja selbst sofort skep­tisch, wenn etwas mit dem Zei­ge­fin­ger daher­kommt.” Da ist sie also wie­der, die Frau, die sich erst auf­lehnt und dann doch über alles nachdenkt.

Das Thema Ernährung

Um das Bild voll­ends abzu­run­den, fehlt dann eigent­lich nur noch, dass sie vegan lebt oder zumin­dest Vege­ta­rie­rin ist.

Sie geht mit dem The­ma Ernäh­rung sehr bewusst um, “aber auf Fleisch kann ich zum Bei­spiel nicht ver­zich­ten, das gibt’s dann halt nicht oft und wird zum Bei­spiel beim Bau­ern im Wein­vier­tel gekauft. Fleisch, das eine Gren­ze pas­siert hat, esse ich nicht. Oder Obst und Gemü­se: Da geht’s weni­ger ums Ver­zich­ten als ums Timing. Ich muss zum Bei­spiel Erd­bee­ren nicht aus­ge­rech­net dann essen wol­len, wenn’s bei uns kei­ne gibt. Und regio­na­le Lebens­mit­tel mit kur­zen Trans­port­we­gen schme­cken ja ein­fach auch bes­ser.” Sie steht auf “Essen und Kochen wie die Groß­el­tern­ge­nera­ti­on – Ess­ba­res weg­wer­fen geht gar nicht. Aus Restln was kre­ieren, das macht Spaß, schmeckt – meis­tens zumin­dest – gut, aber immer anders.” Wobei uns der Regio­na­li­täts­be­griff zum nächs­ten The­ma, Hei­mat, bringt.

Ich habe da kei­ne Berüh­rungs­ängs­te, auch oder gera­de wenn es wie in den letz­ten Jah­ren vor­der­grün­dig zu selt­sa­men Schnitt­men­gen zwi­schen Natio­na­lis­ten und Glo­ba­li­sie­rungs­geg­nern kommt. Wenn ich mei­ne Hei­mat wirk­lich lie­be, dann will ich das doch tei­len – mit Gast­freund­lich­keit und offe­nen Armen.” Für Ange­li­ka Lang ist Hei­mat nicht aus­gren­zend. So wie es ihr auch beim Kli­ma­schutz nicht dar­um geht, die Erde zu ret­ten: “In die­sem Slo­gan fin­det sich viel­leicht mit ein Grund, war­um es an zu vie­len Ecken und Enden immer noch zu wenig Bewusst­sein für den Kli­ma­schutz gibt. Es geht dar­um, unser Leben hier zu ret­ten. Der Erde ist das letzt­lich wurscht. Die schüt­telt sich ein­mal und ist uns los.”

derStandard – 02/2020
Fotos: Wolf-Dieter Grabner

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