Tausend Rosen oder ein erdiges Eisen
Es ist wohl der einzige Tag in meinem ganzen Leben, an dem ich nicht mit Blumen heimzukommen brauche: der 1. Juli 2019. Es ist mein zehnter Hochzeitstag. Oder eigentlich der zehnte Hochzeitstag meiner Frau. Aber zurück zu den Blumen. Wie wir Romantiker wissen, ist der zehnte Hochzeitstag die Rosenhochzeit.
Meine Frau weiß natürlich um meine romantische Ader – versteht sie aber nicht. „Ich bin die Ärmste“, sagt sie. „Dauernd muss ich alte Autos und Motorräder fahren, immer alten Wein trinken und ständig Rosen pflanzen.“ Obwohl mit den Jahren wird es besser. Inzwischen würde sie gern öfter mit den Oldtimern fahren, als diese in der Lage dazu sind, und den alten Wein muss ich bereits verstecken, wenn ich dienstlich unterwegs bin, sonst schickt sie mir wieder am Abend ein Foto von einer sündteuren Flasche und schreibt dazu: „Schau, was ich im Weinregal gefunden habe. Die Flasche war zwar schon sehr staubig, aber der Wein schmeckt gar nicht so schlecht.“ Nur mit den Rosen ist das so eine Sache.
Rosengarten
Überall im Garten wuchern riesige Rosensträucher, die sie für mich gepflanzt hat. Wuchern ist echt nicht übertrieben. Während ich diese Zeilen schreibe, blüht es um mich in dunkelrotfastschwarz bis zartrosafastweiß, und alle haben sie einen ganz eigenen Duft. Aber diese sich immer weiter ausbreitende Fülle müsse man jetzt nicht mit armen Schnittrosen pervertieren, meint meine Frau. Sie will Schmuck.
Sie kann den ja tragen. Sie ist bildhübsch. Und das sag ich nicht nur, damit sie mich nicht mit dem Motorradmagazin erschlägt, wenn sie diese Zeilen liest. Es ist wirklich so. Und etwas Schmuckes macht sie in der Tat noch schöner. Das ist ja bei mir anders. Oder dem Werner Jessner. Der gibt sich ja nur mit mir ab, weil er erst neben mir glänzen kann. Sie kennen das ja, wenn man ein bisserl wampert ist, schaut man neben einem Bladen noch immer regelrecht schlank aus. Und die Jessner-Texte wären schon längst mit Literaturpreisen ausgezeichnet worden, würden sie im Heft nicht so weit weg von den meinen stehen. Aber zurück zu meiner Frau.
Ursachenforschung
Die hat in zehn Ehejahren so viel Schmuck, Handtaschen und Fetzn bekommen, dass wir bald einen Rosenstock ausreißen müssen, weil er einem Schrankzubau weichen soll. Wirklich. Sie glauben ja nicht, diese Frau sei an meiner Seite, weil ich ein so gutaussehender, eloquenter und charmanter Mann bin, der noch dazu vögeln kann, dass selbst Amor die Flügel anlegt. Aber ein kompletter Trottl bin ich auch nicht. Oder sagen wir so, ich bin findig, wenn es darum geht, für die ganz große Show nicht zu viel Geld zu investieren. Ja, man könnte es auch geizig nennen, aber mit einer gehörigen Portion Rampensau. Und darum, hab ich mir gedacht, schenk ich meiner Frau heuer zum Hochzeitstag ein Motorrad. Mit einer großen Masche drumherum und nur einer kleinen duftenden Rose am Tank.
Ein schönes Motorrad, ein schmuckes. Die Brixton BX 125 X. Ein Motorrad, schon modern und neu, aber historisch modern. 60er-Jahre-Stil. Das mag sie. Die Brixton hat zudem so viele schöne Details, dass meine Frau sicher lange eine Freude haben wird. Da ist das Gitter über dem Scheinwerfer, das umwickelte Rohr zum Endtopf, die edlen Rasten, der Union-Jack an den Tank-Pads, die fetten Stollenreifen. Wo man hinschaut, findet man ein weiteres kleines Schmuckstück. Dass es nur eine 125er ist, das macht gar nichts. Wir haben ja eine handvoll Radln herumstehen, aber eines, so für schnell runter zum See, oder rüber zum Eissalon, das haben wir nicht. Noch nicht. Die Brixton ist tatsächlich das ideale Hochzeitstagsgeschenk.
Preisfrage
Sie ist aber nicht nur optisch eine Macht, sie ist super einfach zu fahren, sparsam und robust. Ob meine Frau mit den Stopplern auf der Straße fährt, über den Gehsteig, oder heimlich zwischen den Äckern durch, ist der Brixton wurscht. Sogar wenn sie quer über den Acker fahren würde, wäre es wurscht. Also der Brixton. Dem Bauern wohl nicht. Aber darum sorge ich mich jetzt auch nicht sonderlich, weil meine Frau ist ja sehr flott auf zwei Rädern, und der Bauer hat nur einen alten, heruntergekommen Traktor. Er steht mir an Knausrigkeit wohl um nicht viel nach. Ach ja, die Brixton schaut zwar aus, als würde sie grad noch keine 10.000 Euro kosten – was mir meine Frau als Vernunftentscheidung auslegen wird – sie kostet in Wirklichkeit aber 2.699 Euro. Bleiben mir also locker sechseinhalb Tausender, um mein Weinversteck aufzumagazinieren. Und ich werd die Woche nach dem Hochzeitstag trotzdem ganz vermuddelt ausschauen, weil mir meine Frau so um den Hals fallen wird, dass das sichtbare Konsequenzen haben wird. Ah, da kommt sie gerade, und bringt mir Kaffee, die Beste …
Als sie mich jetzt eben fragte, was ich denn hier so Geheimes mache, dass ich sofort auf Katzenbilder zu klicken beginne, damit sie Nichts sehe, hab ich mir ein wenig in die Karten blicken lassen. Sie freut sich jetzt auf eine Adventure-GS zum Hochzeitstag. Ich glaub, ich brauch jetzt ganz schnell Blumen.
MotorradMagazin – 06/2019
Fotos: Wolf-Dieter Grabner