Nachbarschaftshilfe
Vespa hat nun einen Roller mit E‑Motor im Programm. Der ideale Einsatzzweck liegt auf der Hand: Umweltfreundlich mobil sein und dabei eine gute Figur machen.
Zuerst einmal muss man wissen, dass Hornstein das genaue Gegenteil ist. Während es nämlich im ganzen Burgenland eben ist, oder bergab geht, geht es in Hornstein, das gar nicht so weit weg von Eisenstadt liegt, bergauf. Fast immer. Jedenfalls aber, wenn mein Nachbar seine Latifundien abfahren will. Nennen wir ihn René W. Jr., obwohl der Herbert in Echt ganz anders heißt. Jedenfalls steht er eines Tages vor mir und hat ausnahmsweise kein Packerl in der Hand. Der Postler schmeißt nämlich immer alle Pakete für die Leut in der Gassn in die Werkstatt vom René, weil da immer wer da ist, das aber nur so nebenbei. Jedenfalls hat er kein Packerl in der Hand, sondern ein Anliegen auf den Lippen. Es ist nämlich so, dass es ihm schwer am Zeiger geht, dass er dauernd mit seiner alten Dieselbeule die Kurzstrecken im Ort zurücklegen muss. Er hat ein stattliches Stückerl Wald, einen Hof und was weiß ich noch. Alles nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt, aber so weit bergauf, dass ihm am Radl die Lunge in die Ketten zu kommen droht. Zudem hätte er im Wald keine Dusche, um die ärgsten Folgen der Anstrengung zumindest olfaktorisch ungeschehen zu machen. Also braucht er jetzt ein Moped.
Ich dürfte nicht gerade dreingeschaut haben wie der Weisenrat für bergauffahrliche Fortbewegung, weil ich mir dachte „Najo, kaafst da holt a Moped“. Was ihm folgende Zeile entlockte: „Kan Zwataktschaß, da kann ich genauso gut mein Heizölklumpert weiterfahren. Ich brauch was Elektrisches. Gibt es da schon was Gescheites?“
Bagger und Traktor
Jetzt muss man auch wissen, dass der René meist nicht lange flackert. Als er das letzte Mal ein Loch ausheben musste und irgendein hundselendiger Nachbar sich gerade seine Schaufel ausgeborgt hatte, hat er sich der Einfachheit halber einen Bagger gekauft. Ich hab ihm die Schaufel dann zurückgebracht, bevor der Bagger geliefert wurde. Und nur damit der Ankauf dann nicht ganz umsonst war, haben wir kurzerhand, zwecks der Gaude, auf einem seiner Grundstücke ein paar Löcher ausgehoben und dann wieder zugeschüttet. Maulwürfe nix dagegen. Seinen, zugegeben wunderschönen Traktor, hat er, glaub ich, nur, weil er sogar im kältesten Winter so klass anspringt. Jetzt kommt er halt manchmal mit dem Steyr vorbei und fragt, ob ich nicht irgendwas hätte, was er dann für mich irgendwohin führen könnte. Also so in der Art tickt er. Mit einem Klumpert brauchst dem echt nicht kommen. Das haut der dir über den Zaun zrück.
Und da ist mir dann auf die Gachn nur die Vespa elettrica eingefallen, die ich unlängst probehutschen durfte. Genau, die Vespa gibt es jetzt auch elektrisch. Über die Optik brauchen wir also gar nicht erst reden. Molto italiano. Sehr stilvoll und trotzdem sportlich. Und praktisch. Weil natürlich Platz unterm Sitzbankerl und sogar eine Korbflasche Wein könnte man zwischen den Waden von der Huabn zum Haus oder retour führen. Außerdem kommt man sich nicht gleich vor wie ein alter Surrm, der jetzt nur mehr Moped fährt, weil einem das Gehen schon schwerfällt und einem eine 125er die Ärmel ausreißen würde. Mit dem LED-Licht, dem farbigen LCD-Display, mit der Connectivity, den knalligen Streifen auf der Seite und den Felgen, den Einarmaufhängungen, ist das eher die Liga: Und das hab ich jetzt auch noch. Weil ich Stil habe.
Moped mit Drehmoment
Zudem fährt die Elettrica so ziemlich alles in Grund und Boden, was es derzeit an Mopeds gibt. Die Zweitakter sowieso, da brauchen wir gar nicht anfangen. Die Viertakter, weil sie nicht nur emissionslos ist, sondern auch noch besser geht. Naja, der 4 kW starke Motor hat ein Spitzendrehmoment von 200 Nm. Das ist sogar deutlich mehr, als der Steyr 548 vom René hat. Und andere E‑Mopeds lässt die elettrica sowieso ganz schlecht aussehen, weil Vespa keinen bockigen Radnabenmotor verbaut, sondern einen E‑Motor mit Zwischengetriebe. Also vereinfacht gesagt, hat man den Verbrenner aus der Primavera gerissen und ihn durch einen E‑Motor ersetzt. Damit erreichten die Italiener ein Ansprechverhalten, von dem andere Hersteller nur träumen können.
Sagt der René natürlich: „Reichweite!“, als ob das überhaupt ein Thema wäre. Wenn er am Tag zehn Kilometer fährt, hat er sich drei Mal verfranst, am Weg zwischen seinen Keuschn. Und selbst dann reicht es, wenn er die Vespa einmal in der Woche auflädt. 100 Kilometer gibt Vespa als Reichweite an, 70 Kilometer schafft man auch, wenn man nur bergauf fährt. Heim gingert es aber eh bergab und da rekuperiert die Vespa, gewinnt also Bremsenergie zurück. „Ladebox?“, fragt er in der typischen elegischen Art, die fast allen Burgenländern gemein ist. „Nix“, die ähnlich eloquente Antwort. Dort wo der René in der Werkstatt den Parkplatz für sein künftiges E‑Moped schon hergerichtet hat, ist eine Schuko-Steckdose. Und der Lichtstrom reicht, um die Elettrica in etwa vier Stunden aufzuladen. Das Ladekabel ist noch dazu direkt im Moped verbaut. Nicht einmal ein gschlamperter Hund wie ich könnte es verlieren. Ungern verliere ich auch nur ein Wort über den Preis. 6.690 Euro sind nämlich schon in der Klasse, dass mir der René zum Abschied ein Werkzeug nachpfeffern könnte. Ob ihn die 5.920 Euro besänftigen, die er tatsächlich hinblättern muss, wenn er alle Förderungen von der öffentlichen Hand und dem Importeur abzieht, werde ich noch rausfinden. Dann, wenn er mir mit seinem Traktor meinen Grünschnitt auf den Bauhof geführt hat.
MotorradMagazin – 08/2019
Fotos: Wolf-Dieter Grabner