Grün ist heuer
wieder in Mode
Man mag es gar nicht glauben, wenn man mich sieht, aber ich kenn mich richtig gut mit Mode aus. Mein unbegrenztes Wissen auf dem Fachgebiet lässt sich dabei auf einen einfachen Satz zurückführen. Es ist schon weit mehr als 30 Jahre her, dass meine Oma ihn sagte. Sie stopfte dabei die Glocknhosn von meinem Onkel in den hintersten Winkel des Schranks statt in den Sack für die Kleidersammlung. Sie sprach: „Es kummt olles wieda!“
Es ist jetzt blöd, dass sie grad mit der Glocknhosn nicht wirklich recht behalten sollte – die liegt wohl immer noch ganz hinten im Kasten. Aber im Grunde stimmt es ja. Das weiß auch Ihre Oma, gell? Ich fress meinen Helm, wenn Sie diesen Satz noch nie gehört haben. Weil, schauen wir uns Mini an – der ist heute wieder voll modern. Mehr noch als seinerzeit, als er das erste Mal total hip war. Oder der Fiat 500. Gut, der Beetle war jetzt mehr so die automobile Glocknhosn. Selber Marmelade einkochen. Heute wieder total in. Wie selber Kräuter anpflanzen. Oder kein Fleisch essen. Gut, das war seinerzeit nicht modern, sondern Not. Obwohl, not tut es heut eh auch wieder. Anderes Beispiel: Herrenhandtaschen. Waren nie modern, sie sind es nicht, und sie werden es nie werden. Nicht, solange sie keinen Düsenantrieb haben. Und der wäre dann keine modische Wiederholung. Ganz anders ist das bei den Motorrädern.
Es kommt alles wieder
Auf zwei Rädern ist Retro wieder total angesagt. Denken wir nur daran, wie begehrt Scrambler sind, oder Café-Racer. Nur der Jessner, der Kollege von Seite 12, der sich mit der Mode nicht so auskennt wie ich – sein Fokuhila ist ein Glückstreffer, dem ich mit jedem weiteren Jahr immer weniger entgegen setzen kann – der hat metaphorisch die zweirädrige Glocknhosn ausgepackt. Der hat sich nämlich statt der modernen und neuen Africa Twin eine alte Varadero gekauft. Das muss einem erst einmal einfallen. Dabei hätte er ums gleiche Geld sogar den Jackpot abräumen können.
Mash Force 400. Kostet 5.199 Euro. Nigelnagelneu. Modisch retro. In der Modefarbe Grün. In der Modelackierung Matt. Gut, sie schaut ein wenig martialisch aus. Aber das hat auch sein Gutes. Selbst wenn man so pazifistisch ist wie wir. Man muss halt nur einen Helm aufsetzen, der ein Visier hat, das verhindert, dass andere Verkehrsteilnehmer das eigene Blümchenlächeln im Gesicht sehen. Sonst verschafft man sich keine Achtung der Autofahrer. Aber ohne sichtbares Lächeln haben sogar die Burschen Respekt, die einen am Fuß vom Leithagebirge abpassen und, wenn sie wenig Gegenwehr erwarten, einen hemmungslos herzubrennen versuchen.
Einbaum
So gesehen ist es jetzt eigentlich fast schade, dass die Parkplatzhelden sich fürchten und nicht wissen, dass in der Force 400 nur ein sanftes Herz schlägt. 29 PS leistet der 397 Kubikzentimeter große Einzylinder. Fünf Gänge reichen, um die Fuhre auszuwinden. Wüssten die Bürscheln das, täten sie der Reihe nach zur Kurvenhatz antreten. Und eine fürchterliche Blamage erleiden.
Die künstlich lauten 1000er und die 600er, deren Glitterlack mit den neuen Kniepackln um die Wette glänzt, können einer Force 400 im engen Kurvengeschlängel nämlich wohl nicht viel entgegensetzen. Da ziehst du auf der Mash stoisch deine Linie durch die Serpentine, während sich die Rotzlöffel im Lastwechseln ergehen. An dir vorbeistechen können sie erst oben, wo es gerade wird. Und die Kieberer immer stehen. Also ist man am Ende nicht nur der Schönere, sondern auch noch ganz elegant Erster.
Tante Jolesch
Doch halt. „Eleganz“ hat es ja nicht zu einem Titel im Lastenheft der Mash geschafft. Die lauten „Eindrahn“, „Aufzagn“, „Bös schauen“ und „Schee herstehen“. Die Force 400 wird also nicht die erste Wahl sein, wenn es darum geht, ein Bike zu finden, für die 14 Tage Urlaub in Griechenland mit Eigenanreise. Weltumrundung ist dann schon wieder was anderes. Die macht sie sicher mit. Ob man mit dem martialischen Eisen aber an jedem Grenzübergang gleich viele Freunde findet, darf man ein wenig bezweifeln. Aber wenn Sie es wie ich, mit der Tante Jolesch halten, die zwar die Menschen mag, aber die Leut nicht aushält, dann ist ja ein wenig nicht angeredet werden eh mehr Glück als Verstand. In das gleiche Horn stößt Mash, weil sie die Force 400 serienmäßig mit nur einem Sitzerl ausliefern. Der Sattel ist übrigens auch noch einmal gefedert. Genau so, wie es früher einmal schick war. Überhaupt findet man viele schön gestaltete Details an diesem Eisen, die einem sicher viele Jahre Freude machen werden. Da muss man dann gar nicht das zweite Sitzerl dazukaufen, das man für eine Handvoll Dollar bekommen würde.
Das war ja früher auch nicht unbedingt Mode, dass man dauernd zu zweit am Bock gehockt ist. Wenn man verliebt war und gemeinsam raus wollte, dann gab es halt keine andere Möglichkeit. Da muss man also schon höllisch aufpassen, mit der Mode. Es kommt schon fast alles wieder. Bis auf die Glocknhosn. Es ist also nicht alles gleich wert, aufgehoben zu werden, nur weil es alt ist. Aber sagen Sie das bitte nicht meiner Frau. Oder der vom Jessner. Weil sonst müssen wir alten Deppen noch zusammenziehen. Und das würden wir unweigerlich in Ihrer Nachbarschaft.
MotorradMagazin – 04/2019
Fotos: Wolf-Dieter Grabner