Da fliegt mir doch das Blech weg
Unlängst hat eine Trutschn meine Frau beim Billa abgepasst und sie gfragt, ob ich nicht ein paar Bäume bei ihr schneiden könnt. Meine Frau hat nicht gwusst, wie ihr geschieht. Da muss man aber auch wissen, dass ich erst zwei Tage vorher versucht habe, mit beim Baumschneiden im eigenen Garten, selbst den Arm abzutrennen. Der Baum war mir eigentlich gar nicht im Weg. Aber ich brauchte den Stamm, um neue Hindernisse auf meiner Trialstrecke im Garten zu bauen. Und so schließt sich der Kreis. Reit ich mit der Zweitakter aus, glauben die Leut, ich hechtl mit der Kettensäge ums Haus. Und ich dachte, es wäre ein Segen, einen Garten zu haben, in den man nicht rein sieht.
Seit die E‑Mobilität wieder an Fahrt gewinnt, hab ich natürlich sofort nach einer E‑Trial gesucht. Die ist so leise, dass nur der eine, der direkt angrenzende Nachbar, ein Bild von mir vor Augen haben kann. Wie ich versuche einen ausgebüchsten Vibrator wieder einzufangen, vielleicht. Aber jetzt pass auf. Es gibt nix Elektrisches für mich. Entweder ist es so teuer, dass ich das Haus mitsamt dem Garten verkaufen müsst – dann brauch ich die Reibn auch nimmer. Oder es ist ein so ein Graffl, dass man schon von Weitem sieht, dass man die Stufen auf die Terrasse gar nicht rauf kommt, geschweige denn den Sprung auf der anderen Seite runter. Da fliegerten die Fetzn bis in die Küche. Frage nicht.
Und dann seh ich bei Vertical in Simmering das uneheliche Kind eines E‑Motorrades und eines Mountainbikes. Sur-Ron. So schnell hab ich noch nie vergessen, was ich eigentlich wollte. Und ich vergesse gern, schnell und oft, was ich eigentlich wollte. Jedenfalls hab ich mir die Sur-Ron in der Sekunde geschnappt, bin einen Achter am Parkplatz gefahren. Keine sechs, sieben Achter später hab ich gewusst: Glu, das musst einmal gescheit probieren. Das könnte die Lösung für die Probleme deiner Frau beim Billa sein.
Mit nach Hause nehmen, um gleich im eigenen Garten zu testen, kann ich die Sur-Ron natürlich nicht. Nicht weil der Hanno, der Vertical-Chef, das nicht erlaubt hätte. Ganz im Gegenteil. Der hat mir das auch noch angetragen. Aber ehrlich, wenn das Radl erst einmal bei mir im Garten ist, findet das doch nie wieder ins Geschäft zurück. Da kann ich gleich die 4.200 Euro auf die Pudel legen, bevor ich auflade. Und dann hab ich daheim auch noch an Kelch. Nein, nicht, weil ich schon wieder Geld für ein Motorrad ausgegeben habe, sondern weil ich Geld für ein Motorrad ausgegeben habe – und nicht für zwei. Weil wenn die schöne Frau Gemahl das heiße Eisen sieht, will die sicher auch eines. Jede Wette.
Vorsicht. Eine solche habe ich gerade erst wieder gewonnen. Als ich gewettet habe, dass da was geht, wenn man das Mopedtaferl am Heck nicht braucht, weil man ja eh nur im eigenen Garten fährt. Und es geht. Bis zu 80 km/h. Und bei aller Unbescheidenheit: So groß wäre meine Wiesn hinterm Haus dann gar nicht, dass ich das ausfahren könnte. Aber das Gelände, wo ich die Sur-Ron zum ersten Mal ausprobiere, das hat alles, was man braucht. Es hat Hindernisse, ist fast mitten in der Stadt, trotzdem im Grünen. Schon alleine diese Kombination ist ein Garant dafür, dass in der ersten Sekunde ein Passant einen Hirnschlag samt Tourette-Anfall bekommt, wenn er sich auch nur im Entferntesten gestört fühlt. Nur so zum Vergleich. Eine Trial hätte ich mich dort nicht einmal abladen getraut. Da hätten sie mich auf der Stelle gesteinigt.
Mit der Sur-Ron musst viel mehr selber aufpassen, dass du niemanden sandstrahlst, der grad vorbei geht. Oder umaliegt, wie der schönste Fotograf aller Zeiten, der Wolf-Dieter. Die Sur-Ron hat nämlich einen Auswurf, wenn du das Gas aufreißt, dass man dich zwei Ortschaften weiter noch lachen hört. Mit dem schmalen Reifen grabt sich die Surrende in den Schotterweg, dass eine Nebelschlussleuchte gar nicht blöd wäre. Das geht aber auch nur so fein, weil in diesem Bock kein Radnabenmotor werkelt und für den Antrieb keine Fahrradkette verwendet wurde, die beim ersten Aufreißen vom Gas am hinteren Ritzl gleich einmal über zwei Zähne springt.
Da haben sie sich echt was gedacht, die Buben, die das Werkl zusammengedengelt haben. Der steife Rahmen ist eine gepresste Alu-Legierung, die gerade einmal 7,8 Kilogramm schwer ist. Die Kette haben sie so positioniert, dass die immer gleich gespannt ist, egal ob das Hinterrad gerade voll eingefedert ist, weil man wo runtergesprungen ist, oder voll ausgefedert, weil man bei der Landung mit dem Gesicht im Gras bremst. Und das Fahrwerk hat auch genau nix mit einem Fahrrad zu tun, obwohl, beim Gewicht von 59 Kilogramm samt Akku, könnte ein Controller schon draufkommen, dass man da sparen könnte. Das ist zum Glück nicht passiert. Wie man es auch nicht dabei belassen hat, schlicht ein Moped zu bauen.
Als Moped mit Straßenzulassung geht die Sur-Ron 45 km/h, hat eine Nennleistung von 2050 Watt und schafft 69 Kilometer mit einer Akkuladung. Den 12 Kilogramm schweren Akku kann man zum Laden rausnehmen. Ohne Taferl, als Performance, hupft die Leistung auf 3000 Watt, der Topspeed auf 80 km/h. Da kommt man dann halt keine 70 Kilometer weit. Aber he, die Mountainbikestrecke hinterm Haus hat gerade einmal 20 Kilometer. Und die Hälfte davon geht bergab. Jetzt werd ich nur noch schnell aus dem alten Damenradl im Schupfen die Tretkurbel ausbauen und die Pedale statt der Fußrasten auf die Sur-Ron montieren. Und dann brenn ich dort den Jessner her, den Gockel, der ja immer schwer am Mountainbiken ist. Schweißfrei. Außer die Kieberer dawischen mich, am End der Strecken, unten, beim Billa.
MotorradMagazin – 03/2019