Streiten? Mit mir nicht!

Die hini­che Kaf­fee­ma­schi­ne konn­te der Idyl­le nichts anha­ben. Saßen wir halt ohne Kaf­fee da und plau­der­ten mit­ein­an­der. Die Son­ne schien durchs Fens­ter, sie fuhr sich durch das lan­ge, blon­de Haar, lächel­te und erzähl­te von ihren Plä­nen. Wir small­talk­ten, lach­ten, zeig­ten uns von der bes­ten Sei­te. Als auf ein­mal ihr Tele­fon läu­tet, über­legt sie merk­bar, ob sie den Anruf nicht weg­drü­cken soll. Aber es dürf­te doch wich­tig sein. Sie zögert kurz und fragt dann, ent­schul­di­gend, ob sie dran­ge­hen kön­ne, sie war­te schon den gan­zen Tag auf die­ses Gespräch. – Selbstverständlich.

Es eskaliert eh gleich

Sie lächelt, als sie den Anruf annimmt. Sie säu­selt ihren Namen ins Tele­fon und wünscht im nächs­ten Halb­satz, mit sei­di­ger Stim­me, einen schö­nen Tag. Sie horcht in ihr Tele­fon. Das Lächeln wird ver­schmitz­ter. Es kriegt was Dre­cki­ges. Eine Wol­ke schiebt sich vor die Son­ne. Auf ein­mal riecht es deut­li­che nach Schwe­fel, als sie, die einst Schö­ne, jetzt Furcht­ein­flö­ßen­de, ins Tele­fon faucht und rotzt “Ich habe Ihnen vor drei Wochen den Auf­trag erteilt. Mor­gen ist der Lie­fer­ter­min. Heu­te sagen Sie mir, dass Sie nicht lie­fern kön­nen? Ich akzep­tie­re das nicht. Hören Sie! Ich bin jetzt in einer Bespre­chung und erwar­te Ihren Anruf in einer Stun­de – aller­dings wer­den Sie mir da dann nicht mehr absa­gen.” Und noch bevor sie zum Luft­ho­len anhob, war der Anruf auch schon been­det und das Tele­fon lag wie­der am Tisch. “Ent­schul­di­ge bit­te”, flö­te­te sie mich an, “aber dar­auf hab ich mich schon den gan­zen Tag gefreut.” So ganz soll­te die Son­ne an die­sem Tag nicht mehr durch die Wol­ken drin­gen wol­len. Und doch war ich fasziniert.

Wir ken­nen uns kaum, doch sofort ver­stand ich, dass sie ein Alpha-Typ ist. Sie hat in jedem Gespräch die Fäden in der Hand. Dass sie aber mit Men­schen, die ihr zuar­bei­ten, so ver­fährt, das war für mich undenk­bar – viel­leicht, weil ich ganz anders ticke als sie. Ich, an ihrer Stel­le, hät­te mich auch noch devot für die Info bedankt, fällt mir ein, wäre freund­lich und höf­lich geblie­ben, wäre ver­ständ­nis­voll gewe­sen – “Ja, klar, leuch­tet mir ein, es ist gera­de nicht leicht – auch für Sie… bla­bla­bla …” – und hät­te mir danach über­legt, was ich jetzt mach, wie ich allein die Situa­ti­on für mich löse. So ärgern kann ich mich gar nicht, dass ich laut werde.

Ehestreitigkeiten

Ich bin jetzt schon sehr, sehr lan­ge ver­hei­ra­tet. Nein, mei­ne Frau wüss­te das aus dem Steg­reif auch nicht viel genau­er, sie müss­te schnell nach­rech­nen und begnügt sich dann meist mit einem “ewig”. Dabei ver­dreht sie gern die Augen. Und selbst wenn einer der Sät­ze, den sie am öftes­ten sagt, eine Varia­ti­on von “Es muss wie ein Unfall aus­se­hen” ist und mich angeht, so haben wir in die­ser sehr, sehr lan­gen Ewig­keit noch nie gestrit­ten. Noch nie hat der eine den ande­ren ange­brüllt, beschimpft, absicht­lich belei­digt oder ihm gar Küchen­uten­si­li­en nach­ge­wor­fen. Und auf ein­mal fra­ge ich mich, wie wir das machen, wenn anders­wo schon ein an sich harm­lo­ses Tele­fo­nat so eska­lie­ren kann. Denn ja, wir hat­ten auch in unse­rer Ehe nicht nur Höhen. Die Mord­ge­dan­ken mei­ner Frau sind mir durch­aus begreif­lich. Drei Stun­den spä­ter soll­te ich mit­krie­gen, war­um wir kei­nen Streit zusammenbringen.

Mei­ne Frau war so nett, mich vom Bahn­hof abzu­ho­len – von dem es kei­ne Öffi­ver­bin­dung nach Hau­se gibt –, damit ich nicht von Wien mit dem Bus nach Hau­se fah­ren muss – den ich wegen der engen Sitz­ab­stän­de so has­se, dass ich manch­mal über­le­ge, ob ich die Stund-Zehn, bis daheim, nicht lie­ber ste­hen soll. Daheim husch ich ins Bad, um mir die Hän­de zu waschen. Dort brennt schon das Licht. “Hat sie wohl ver­ges­sen abzu­dre­hen”, denk ich mir. Sie müs­sen wis­sen, ich has­se es, wenn wo ein Licht brennt, ein Heiz­kör­per zu hoch auf­ge­dreht ist, ein Fens­ter nicht ordent­lich zu ist – mehr noch als den Sitz­ab­stand in den Bus­sen. Sie sitzt inzwi­schen wie­der am Sofa und denkt laut dar­über nach, was wir Essen könnten.

Bahnhof und retour

Ein paar Minu­ten spä­ter sind wir uns einig. Bevor ich mich ans Kochen mache, husch ich noch ein­mal ins Bad, um mir die Hän­de zu waschen – und dort brennt schon wie­der das Licht. Und ich fra­ge: “War­um lasst denn im Bad dau­ernd das Licht bren­nen?” Mei­ne Frau weiß um mei­nen Fai­ble mit dem Ener­gie­spa­ren, fühlt sich irgend­was zwi­schen ertappt und ange­grif­fen und fragt mit ihrer süßes­ten Stim­me, die sie in der Situa­ti­on fin­det: “Soll ich dich wie­der zum Bahn­hof füh­ren?” Und da ist er, der Zeit­punkt, wo die Zünd­schnur schon so lich­ter­loh brennt, dass im Film die Gei­gen bereits ganz hek­tisch gekratzt wer­den würden.

Jetzt muss man wis­sen, dass am Licht auch der Lüf­ter hängt. Ich sage: “Süße, ich wollt eigent­lich wis­sen, ob es an Grund hat, war­um du den Lüf­ter im Bad lau­fen lässt – dann tut es mir leid, dass ich ihn vor­her abge­dreht hab –, oder ob du ein­fach ver­ges­sen hast, das Licht aus­zu­schal­ten. Ver­zeih bit­te, dass ich mich nicht klar aus­ge­drückt habe. Kein Angriff – Info­de­fi­zit.” Mei­ne Frau fun­kelt mich aus halb­ge­schlos­se­nen Augen an. “Vor­her führ ich dich wie­der aufn Bahn­hof, bevor ich zugeb, dass ich schon wie­der ver­ges­sen hab, das Licht abzu­dre­hen.” So kann man nicht strei­ten. Nicht wegen des Lichts, nicht wegen der Zahn­pas­ta, nicht wegen was auch immer.

Regelmäßig fetzen

Wenn wir zwei Mal in der Woche rich­tig fet­zen, ist es eine gute Woche”, erklär­te mir spä­ter das Alpha-Zorn­bin­kerl. Und ich weiß nicht, ob sie mein­te, “wenn wir nur zwei Mal strei­ten”, oder ob sie mein­te, “wenn wir nur ein­mal pro Woche fet­zen ist mir das zu fad.” Nach­fra­gen woll­te ich nicht. Wohl aber frug ich tags dar­auf, wie denn das Tele­fo­nat eine Stun­de spä­ter ver­lief und ob der Auf­trag inzwi­schen doch noch aus­ge­führt wur­de. Ich bekam kei­ne Ant­wort, die ich Ihnen wei­ter­rei­chen kann. Und dann fiel mir ein Satz ein, den Veit Hei­ni­chen (der übri­gens da oben auch auf zwei Bil­dern zu sehen ist) öfter über sei­ne Bücher sagt und der frei inter­pre­tiert bedeu­tet, dass es nicht sei­ne Auf­ga­be sei, Ant­wor­ten zu geben, son­dern Fra­gen zu stel­len. Und die Fra­ge kann hier nur sein: 

Haben Sie Tipps, wie mich mei­ne Frau galant um die Ecke brin­gen könn­te? Sie tat­ert sich sehr freu­en – auch das liegt außer Streit.

Gui­do Glu­schitsch – 11/2021

Fotos: Wolf-Dieter Grabner, Gui­do Gluschitsch

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